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Theodor von Schön: Jede Spur der Sklaverei vernichten!

Auszug aus der Transkription der autobiograhischen Fragmente

(hier der besseren Vergleichbarkeit und Lesbarkeit der abgebildeten Handschrift wegen in veränderter Absatzgliederung)

„Hardenberg ging nach Riga und Altenstein und Niebuhr folgten ihm bald dahin nach, so daß unser Conseil aus Klewitz[,] Staegemann und meiner Person bestand. Die Friedens-Vollziehung machte anfangs viel Geschäfte, und die Klagen des verheerten u. zum großen Theil von französischen Truppen noch bedrückten Landes verbunden mit der großen Geldnoth brachten eine Menge Bitten an den König. Es fehlte nicht an Vorschlägen, wie der Noth abzuhelfen sei und unter diesen, war auch der, des Administrations-Ministers von Preußen des Minister[s] v. Schroetter: daß zwei-dreihundert Kühe in Kurland gekauft werden möchten, um einen bessern Zustand herbeizuführen. Schon die frühern, einzelnen Vorschläge und Anträge waren mir als untergeordnete Anträge zuwider gewesen. Der Kühe-Antrag des Ministers v. Schroetter brachte meine Meinung zum Durchbruche und ich erklärte meinen beiden Collegen und Beyme: daß nothwendig allgemeine Maaßregeln genommen werden müßten, welche den Geist des Volks heben und dieses zur Benutzung seiner eigenen Kräfte anrege.

Die Grundfehler unserer Staatseinrichtungen müßten wir mit der Wurzel vertilgen, und so dem Volke zeigen, daß mit ihm die Regierung in einem neuen Leben wandeln wolle. Ich schlug vor: jede Spur der Sklaverei, sie erscheine als Leibeigenschaft, Erb-Unterthänigkeit, Hörigkeit zu vernichten, den Besitz des Grund-Eigenthums jedem zu verstatten, den verderblichen Kampf zwischen dem Adel und den andern Ständen durch Verkettung beider aufzuheben, die freie Disposition über Grundeigenthum mit allmähliger Auflösung der bisherigen schlechten Verhältnisse zu verstatten, und den Besitzern von Majoraten und Fideicommißen, welche Institutionen politisch einigen Werth haben können, staatswirthschaftlich aber verderblich wären, die Verschuldung zum Retablissement zu gestatten. Meine beiden Collegen traten mir unbedingt bei, erklärte[n] sich dafür. Ich sollte die Denkschrift für den König deshalb ausarbeiten.

Einige Tage darauf trug Beyme einen bei S. M. dem Könige eingegangenen fernerweiten Bericht über die Landesnoth bei uns vor, und daraus ergab sich, daß der Oberlandesgerichts-Präsident Morgenbesser in einer in Königsberg abgehaltenen Conferenz als einziges Mittel unsere Landesnoth abzuhelfen, auch die Aufhebung der mangelhaften Einrichtungen in unserm Lande und namentlich der Erbunterthänigkeit in Antrag gebracht habe. Schon mehrere Jahr vor dem Kriege beschäftigte dieser Gegenstand alle guten Köpfe und alle guten Herzen in Preußen. Die Zahl derer, welche Sklavensinn hatten war klein, aber sie war mächtig. Schroetter wollte es mit den bessern nicht verderben, suchte nur den Schein zu retten, aber, das durch Erziehung und langes Leben mit Menschen, welche die ersten Menschenrechte verkannten, in ihm gepfropfte Vorurtheil konnte er nicht besiegen.“

Aus: Nachlaß Schön, Selbstbiographie II, Blätter 39v-40v.

 
 
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